Der erste Corona-Freitag
Meine Arbeitskollegin fliegt an diesem Tag von Düsseldorf nach Costa Rica oder sollte ich besser sagen, möchte fliegen? Seit Tagen war es ein Bangen, da Israel einen Einreisestop verhängt hatte und langsam andere Länder nachzogen. Kurz vorm Boarding dann die Mitteilung, dass bei einem Crewmitglieder Verdacht auf Corona bestehe. Also muss die ganze Mannschaft ausgetauscht werden. Mit einer Verspätung von zwei Stunden startet der Flieger dann endlich. Und dann nimmt das Schicksal seinen Lauf. Denn im Laufe dieses Tages wird wohl auch den allermeisten Deutschen bewusst, dass Corona es wirklich ernst meint bzw. ernst genommen werden sollte.
Das Völkerschlachtdenkmal
Wir haben in den letzten Tagen riesiges Glück mit dem Wetter. Es ist immer trocken und sonnig, was wünscht man sich mehr für einen Städtetrip? Heute ist es allerdings bitterkalt, was vor allen Dingen einem strengen Wind oder Sturm zu verdanken ist. Unser Hotel das Balance Hotel Alte Messe Leipzig liegt nur etwa einen Kilometer vom Völkerschlachdenkmal entfernt. Und genau das ist heute unser erstes Ziel. Wir laufen langsam auf das gewaltige Konstrukt, das sich übrigens wunderbar in dem davorliegenden Wasserbecken spiegelt, zu. Wie wir schon von der Reiseleiterin im Bus erfahren haben, war das 1913 eingeweihte Nationaldenkmal nicht immer so schön sauber. Noch vor ein paar Jahren muss es ähnlich dunkel ausgesehen haben wie zum Beispiel die Porta Nigra in Trier. Nun kümmert sich aber ein eigens dafür gegründeter Verein für die Sauberhaltung.
Im Oktober 1813 war Leipzig Schauplatz der Völkerschlacht. Die verbündeten Heere Russlands, Preußens, Schwedens und Österreichs errangen dabei den entscheidenden Sieg über Napoleon und seine Alliierten auf deutschem Boden. Soldaten aus zwanzig verschiedenen Völkern waren beteiligt. 100.000 starben oder wurden verwundet, im Nachhinein brach eine Thypus-Epidemie in Leipzig aus. Zu Ehren der Gefallenen errichtete man in 15-jähriger Bauphase unter der Anleitung des Architekten Bruno Schmitz das 91 Meter hohe Bauwerk. Nach 500 Treppenstufen bietet sich dem Besucher von einer Aussichtsplattform aus ein grandioser Panoramblick über Leipzig und Umgebung. Da der Aufstieg zum Teil durch einen sehr engen Aufgang führt und der Eintritt 8 Euro kostet, sparen wir uns das. Trotzdem sind wir mächtig beeindruckt von diesem 300.000 Tonnen Denkmal. Auf die erste Plattform kommen wir auch so und einen herrlichen Ausblick über die Stadt konnten wir bereits im mdr-Turm genießen.
Noch ein Tipp am Rande: gleich nebenan grenzt der Südfriedhof, der größte Friedhof Leipzigs an. Ein Blick hinüber zeigte mir, dass ein Spaziergang dort sicherlich auch sehr lohnenswert wäre.
MM- Leipziger MusterMesse oder auf der Suche nach dem Messemännchen
Die Messe findet nicht statt. Soviel steht fest. Mit meinem Buch im Gepäck machen wir uns trotzdem einmal auf zum Messegelände. Ich hoffe zumindest auf ein schönes Foto, das mich mit Bali for kids in der Hand posierend neben dem Messemännchen zeigt. Das Messemännchen ist das Maskottchen der Leipziger Messe. Im Gegensatz zu vielen anderen Messegeländen ist das Leipziger richtig schön. Weitläufig, mit Grünanlagen, einem Teich und dem hübschen Glaskuppelgebäude als zentraler Punkt. Hinein kommen wir leider nicht, alles ist verriegelt und verrammelt. Bis auf den Wachmann ist keine Menschenseele zu sehen. Dem Messemännchen kann ich so nur durch die Scheibe zuwinken. Das Foto gibt es dann eben draußen. Und eine Begegnung mit einem weiteren Messemännchen habe ich dann später doch noch, nämlich in der Touristen-Info im Stadtzentrum.
Corona-Ferien für ganz Deutschland
Dann macht es die Runde. Von Corona-Ferien wurde in den Medien schon länger gesprochen. Jetzt ist es Fakt. Die Schulen in ganz Deutschland schließen ab nächster Woche und damit drei Wochen vor den in vielen Bundesländern beginnenden Osterferien. Fünf Wochen schulfrei, drei davon mit Unterricht zu Hause. Für viele Eltern eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen. Meine Mutter bietet mir sofort an, dass sie eine Woche übernehmen und den Krümel hüten können. Das ist echt lieb, aber genau das, was nicht gewollt ist. Menschen über 60 und insbesondere die, die sowieso schon zur Risikogruppe gehören, sollten in den nächsten Wochen lieber keinen Kontakt zu ihren Enkelkindern haben, auch wenn es verdammt schwer fällt.
Der Karl-Heine-Kanal und die namensgleiche Straße
Das das Stadtzentrum Leipzigs mit seinen vielen Gassen, Passagen und Relikten früherer Zeiten der Hinkucker schlechthin ist, habe ich bereits mehrfach erwähnt. Allerdings finde ich es auch immer besonders spannend über den berühmten Tellerrand hinauszuschauen. So hat uns unser Weg an einem weiteren sonnig, kalten Tag in den Westen Leipzigs geführt. Gestartet sind wir am Bahnhof Plagwitz und sind dann zunächst zum Kanal, den Karl-Heine-Kanal, geschlendert. Wir haben einen schönen Spaziergang am Wasser entlang gemacht, haben mehrere Brücken unterquert und uns dabei von Vogelgezwitscher begleiten lassen. Dann sind wir irgendwann auf die Karl-Heine-Straße und später auch auf die querende Zschocherschen Straße gestoßen. Die KaHe, wie sie umgangssprachlich auch genannt wird, verbindet Leipzig Zentrum-West mit den Stadtteilen Lindenau und Plagwitz. Hier gibt es zahlreiche innovative Lokale, Bioläden, individuelle Lädchen und kulturell hat die Pulsader Leipzigs auch Einiges zu bieten. Und ganz wichtig: jede Menge tolle Fotomotive für die Kamerlinse.
Thomaner Chor: Unterwegs auf Bachs Spuren
Jeden Freitag und jeden Samstag singt der Knabenchor, die Thomaner, in der Thomas Kirche. Samstags wollten wir dabei sein. Aus den Medien wusste ich bereits, dass es dieses Mal, anders als sonst eine Beschränkung auf 100 Zuschauer geben würde. Eine Dreiviertelstunde vor Beginn sind wir da. Und mit uns viele andere Interessierte. Die Schlange ist schon lang, schnell ist klar, dass wir nicht mehr mit reinkommen. Sehr, sehr schade. Wir beschließen zunächst einen Kaffee trinken zu gehen, um dann wenigstens nach dem Chorkonzert noch einen Blick in die Kirche werfen zu können. Und wir haben Glück. Beim zweiten Anlauf können wir das gotische Gotteshaus betreten und nicht nur das. Aus uns nicht bekannten Gründen ist zumindest ein Teil des Chors noch da und probt. Da bleiben wir doch gleich noch ein bisschen länger und lauschen gerne. Wahnsinn, wie diszipliniert die Jungen von Grundschulalter bis zur weiterführenden Schule da stehen und ihre Stimmen erklingen lassen und das mehrmals die Woche. So halten sie die von Johann Sebastian Bach (dessen Gebeine im Übrigen im Chorraum der Kirche beigesetzt sind) eingeführte Tradition bei. Der Komponist unterrichtete im 18. Jahrhundert zahlreiche Schüler der Thomasschule in Gesang. Ich bin wirklich tief beeindruckt von der heutigen Jugend. Die “Knaben” singen sehr gut und die Kirche ist die optimale Kulisse: optisch mit den roten Balken im Deckengewölbe ein Hinkucker und auch die Akustik ist hervorragend. Ein gelungener Abschluss für unseren Städtetrip. Dieser war, wenn ich das mal so ganz nebenbei verraten darf, übrigens das vorgezogene Geschenk für meine Mutter zum 60. Geburtstag.
Was Leipzig sonst noch zu bieten hat
Natürlich kann man in Leipzig und Umgebung noch eine Menge mehr erleben. Insbesondere, wenn man mehr Zeit hat und draußen vielleicht auch schon wärmere Temperaturen herrschen. Was wir bei unserem nächsten Leipzig Besuch gerne machen wollen, habe ich einmal aufgelistet:
- Leipziger Zoo (artenreichster Zoo Europas inklusive Tropenhalle Gondwanaland)
- Führung beim Sender mdr
- Führung in der Nationalbibliothek
- Neuseenland (nein, nicht NEUseeland! Habe ich auch zuerst gelesen. Die Ansammlung mehrerer Seen heißt tatsächlich NeuSEENland und ist zum Teil eine Bergbaufolgelandschaft)
- Gedenkstätte Museum in der runden Ecke (Stasi-Museum)
- Cospudener See (schöner Sandstrand)
- Rosental im Leipziger Norden oder Botanischer Garten an der Universität
Eine Rückfahrt mit Hindernissen
Wir treten unsere Rückfahrt planmäßig am frühen Sonntagmorgen an. Bis Hannover kommen wir. Dort müssen wir umsteigen. Der Zug, mit dem wir weiterfahren müssten, wird aber gar nicht erst angeschlagen und kommen tut er auch nicht. Komisch? Der Corona-Sonderfahrplan soll doch erst ab nächster Woche umgesetzt werden. Wir gehen zum Infopoint. Dieser ist großzügig mit rot-weißem Flatterband abgesperrt, sodass man den Mindestabstand von 1-2 Metern zwangsläufig einhält. Auch, wenn es ingsgesamt deutlich ruhiger ist als an gewöhnlichen Sonntagen, könnt ihr euch vorstellen, dass in so einer Bahnhofsvorhalle immer noch ein gewisser Lärmpegel besteht. Ich rufe mein Anliegen also in Richtung der Bahnmitarbeiterin. Schon eine komische Situation. Sie informiert mich über eine Baustelle auf der Strecke, dass der Zug schon früher gefahren sei und wir einfach den nächsten, der in Richtung unseres gewünschten Ziels fahre nehmen sollen. Das tun wir dann auch und erwischen einen ICE von Berlin nach Düsseldorf mit offensichtlicher Sonderausstattung. Wir können uns auf schwarzen, weichen Ledersesseln niederlassen, alles ist mit Holz verkleidet. Ich kucke wirklich zweimal hin, aber wir sitzen tatsächlich richtig, in der 2. Klasse.
Sitzplatzreservierungen sind, wie auch schon auf der Hinfahrt, völlig überflüssig. Es sind deutlich weniger Bahnreisende unterwegs als sonst. Was in den kommenden Wochen noch auf uns zukommen wird, wissen wir nicht. Ich habe jedoch die leise Ahnung, dass wir diesen Städtetrip genau zur richtigen Zeit gemacht haben und noch gerade rechtzeitig wieder zu Hause ankommen. Ein paar Tage später hätte ich ihn nicht mehr angetreten. Meine Kollegin ist übrigens tatsächlich noch nach Costa Rica gekommen. Sie wird eine schöne Woche dort verbringen und ihren Urlaub dann vorzeitig abbrechen, bevor sie keine Möglichkeit mehr hat nach Hause zu kommen.
Traditionsgebäck Leipziger Lerchen
Und auch diesmal habe ich zum Schluss etwas fürs Auge, wenn nicht sogar für Leib und Seele. Das Traditionsgebäck Leipzigs, die Leipziger Lerchen, möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten. Klar, dass wir sie probiert haben. Das Mürbegebäck mit Marzipan und Marmeladenfüllung ist zwar nicht so mein Fall, aber probieren sollte man es in jedem Fall. Denn natürlich handelt es sich hier um Geschmackssache.
Kennt ihr denn auch die Geschichte um das feine Gebäck herum? Wenn nicht, könnt ihr sie hier nachlesen:
Seid ihr auch schon mal im schönen Leipzig gewesen? Wenn ja, was waren eure Highlights? Gerne könnt ihr uns eure Erfahrungen in den Kommentaren hinterlassen.
Teil 1: 3 Tage Leipzig- ohne Buchmesse und mit Corona
Für den Fall, dass ihr nicht so viel Zeit haben solltet, hat Nicolo auf nicolos-reiseblog für euch zusammengestellt, was man an einem Tag in Leipzig gesehen haben sollte.
Liebe Birgitta,
ach, ich habe so herrliche Erinnerungen an Leipzig! Dein Bericht zeigt mir, dass ich unbedingt einmal wieder hin muss, um all’ die spannenden Ecken dem kleinen Entdecker zu zeigen!
Aber eines kannte ich noch nicht: die Leipziger Lerchen!
Die waren mir bei meinen ersten Besuchen tatsächlich entgangen.
Danke für den Hinweis – die backen wir gleich mal nach! 🙂
Hab’ einen schönen Feierabend!
Ines-Bianca
Liebe Ines-Bianca, das freut mich, dass ich dir etwas Neues zeigen konnte.