Krümel's grosse Reise

Lettland: Von Wildpferden, Auerochsen und Plattenbauten

Ehe wir es uns versehen, sind wir schon in Lettland, dem mittleren der drei baltischen Staaten. Sobald man die Hauptrouten verlässt, wird man auf Schotterstraßen ordentlich durchgeschüttelt. Haben in Litauen noch blaue Dixi Toiletten Parkplatz-und Strandbilder gesäumt, sind es hier Trockentoilletten mit Holzverschlag. Wenn man Glück hat, handelt es sich um hübsche mit Herzchen im Holz!

Pape Nationalpark und WWF-Station

Wir besuchen eine Herde Wildpferde und Auerochsen und laufen in etwa 50 Metern Abstand parallel zu ihnen zu einem See. Wie die Kälbchen rennen können, schnell und flink wie junge Hunde! Der Krümel ist ganz entzückt. Ein traumhaft schöner Ort, hier verweilen wir für einen Moment. Es sind ein paar Boote vertäut, sie laden uns förmlich dazu ein hineinzuklettern. Wir haben übrigens wahnsinniges Glück, dass die Tiere heute so schnell vom Parkplatz aus zu erreichen waren. An anderen Tagen bedarf es einer kilometerlangen Wanderung, je nachdem, wo die Tiere gerade grasen, erklärt mir die WWF-Rangerin. Es handelt sich um eines von mehreren Projekten der Naturschutzorganisation. Das Rangerhäuschen ist täglich von früh bis spät besetzt. Die Besucher haben die Wahl, ob sie alleine zu den Pferden und Ochsen gehen oder sich vom Ranger begleiten lassen. So oder so, zahlt man 3€ pro Person oder 4€ als Familie mit mindestens einem Kind. Direkt am Parkplatz gibt es auch eine hübsche Campingmöglichkeit, es ist aber noch früh am Tag und so fahren wir lieber weiter.

Pferde und Rinder sind bei Weitem nicht die einzigen Tiere hier. So ist uns zum Beispiel Herr Adebar entgegenstolziert, einige weiße Schwäne drehten ihre Runden auf dem See und wie immer gibt es viele Schmetterlinge in den bunten Blumewiesen zu entdecken.

Camping im Garten

Wir fahren übrigens kilometerlang durch Waldgebiete, auffällig viele und hohe Birken stehen hier. Das kennen wir aus Deutschland so gar nicht. Wir wollen einen ganz bestimmten Platz für die Nacht aufsuchen und der Weg dorthin führt über eine staubige Schotterstraße hinein ins Nirgendwo. Wir passieren zahlreiche Kartoffel- und Kohlfelder. Ursprüngliche Natur und Landwirtschaft wird uns hier noch häufig begegnen. Befinden tun wir uns irgendwo auf der Höhe von Jurmala. Wir folgen einem holprigen Waldweg und hätte dort kein Wegweiser gestanden (Ceplenieki Camping), wären wir nie darauf gekommen diesen einzuschlagen. Wir finden ein altes, sehr baufälliges Bauernhaus vor. Mit seinen gelben und löchrigen Gardinen am Fenster sieht es auf den ersten Blick unbewohnt aus, doch es bellt ein angeleinter Hund und das kleine Gewächshaus ist auch frisch bepflanzt. Solche Gebäude haben wir hier draußen schon öfter passiert. Sooo weit draußen, keine Nachbarn, der nächste Ort 20 Autominuten entfernt – das wäre nichts für uns. Es kommt uns eine stämmige Mittfünfzigerin im abgewetzten Arbeitskittel  entgegen und begrüßt uns freundlich. Ihre Finger sind von der Feldarbeit schwarz bis unter die Nägel, wenn sie den Mund öffnet, schaut man auf unvollständige Zahnreihen. “Dobedien”, sagen wir, “do you speak English?” Sie schüttelt den Kopf, aber Russisch könne sie. Da müssen wir dann leider passen. Mit Händen und Füßen und einigen häufig gebrauchten Sätzen auf Englisch, die sie auf einem Blatt Papier stehen hat, schaffen wir es dann. Sie und ihr Mann vermieten ihre großzügige Wiese für 10€ die Nacht an Camper. Freie Platzwahl, braunes Wasser aus dem Gartenschlauch, eine Mülltonne (Schonmackers – Entsorgungsfirma aus Düsseldorf steht darauf!), die wir bitte umsichtig füllen sollen, es ist die einzige! und eine Trockentoilette mit Herz. Das Beste aber: wenn man die Wiese verlässt und ein paar Meter durch einen mit Gräsern überwucherten Pfad läuft, steht man auf einem kilometerlangen und menschenleeren Strand. Also: Klamotten vom Leib und nichts wie rein! Die Ostsee ist leider gewöhnungsbedürftig kalt, doch das hält uns nicht vom Herumtollen und Spritzen im knöcheltiefen Wasser ab.

Wir stehen übrigens mit nur zwei weiteren Camperpärchen auf diesem idyllischen Platz. Am Abend sitzen wir gemütlich mit ihnen am Lagerfeuer zusammen und lauschen gegenseitig unseren Reisegeschichten – das Holz ist im Übrigen gratis.

Ein Strand für uns alleine

Ein echter Juwel dieser Platz! Wir geben die GPS Koordinaten bei Interesse  gerne weiter, der Familie würden ein paar mehr Besucher sicherlich nicht schaden!

Zurück in die Zivilisation oder ein bisschen Landeskunde

In den Städten wird uns ein Mischmasch aus Antik und Moderne präsentiert. Hässliche Plattenbauten aus sowjetischen Zeiten mit viel Platz drumherum wechseln sich mit schicken Einfamilienhäusern ab, ebenso sehen wir viele ehemals vornehme Villen, die stark in die Jahre gekommen, aber immer noch bewohnt sind. Viele Straßenzüge erinnern an die frühere DDR, es fühlt sich ein bisschen so an als wäre die Zeit stehen geblieben. Die Hafenstädte, die wir bisher besucht haben, konnten uns nicht begeistern. Sie sind oder waren wichtig aufgrund ihrer Häfen, die einen Umschlagplatz für Handel darstellen. Stadtzentren wie wir sie aus Westeuropa gewöhnt sind, sucht man hier jedoch vergebens. Cafes sind eine Seltenheit, überhaupt ist der Einzelhandel in dem dünn besiedelten Land rar. Sowohl für den Wocheneinkauf als auch zum Shoppen geht man hier eher in den Supermarkt, der dann schon mal Hypermarkt heißt und mit einem breiten Angebot aufwartet. Oftmals ist dann gleich noch ein Center mit Apotheke, Sportgeschäft, einem Schuh und Spielzeugladen angeschlossen. Oder man geht einfach jeden Tag auf dem Markt einkaufen – hier gibt es sowieso die leckersten, frischesten und günstigsten Waren!

Einer von vielen wunderbaren Märkten

Die Sprachbarriere, die uns in Litauen bedauernswerterweise von tiefergehender Kommunikation abgehalten hat, ist in Lettland nicht mehr ganz so stark gegeben. Hier sprechen zumindest die jungen Leute gut Englisch.

Krümel

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