Die ersten Häuser, die wir nach dem Passieren der unscheinbaren Grenze sehen, sind deutlich besser in Schuss als sie es in Lettland waren. Holzhäuser mit rotem, gelben oder blauen Anstrich, das hat ein bisschen etwas von Schweden. Wir gewinnen schnell den Eindruck, dass dieses Land mehr Geld hat und erfahren später, dass es finanziell stark von Finnland unterstützt wird.
Was wir ziemlich zuerst sehen ist ein Campingplatz vom RMK im Wald. Zwischen den Bäumen stehen Picknicktische und ansehnliche Feueröfen. Das erinnert uns stark an Camping in Amerika. Wir sehen uns das Ganze aus Interesse kurz an, die Nacht soll hier lediglich 4€ kosten und Duschen gibts auch. Wow! Der RMK ist hier soetwas wie eine Nationalparkbehörde, die Plätze und Informationscenter mit Kartenmaterial betreibt.
Hier müssen wir uns von “dober dien” verabschieden und uns an den kurzen Gruß “tere” gewöhnen. Denn, auch wenn wir und versuchen mit Englisch durchzuschlagen, finde ich es angemessen zumindest in der Landessprache grüßen zu können. Danke und Bitte sind meist auch kein Problem. Die estnische Sprache weist Gemeinsamkeiten mit dem Finnischen auf, doch auch dieser Sprache sind wir leider nicht mächtig. Trotzdem haben wir bald zumindest eim kleines Sprachgefühl und Spaß daran zu erraten, welche Bedeutung sich wohl hinter den einzelnen Begriffen, die uns im Verlauf der Reise über den Weg laufen, versteckt.
Das Internet ist hier frei zugänglich für Jedermann,das ist in Estland kein lahmer Werbespruch, das ist seit 2013 im Grundgesetz verankert. So ist es auch für uns wesentlich leichter ins Netz zu kommen. By the way, wusstest du, dass die Internettelefonie Skype von drei jungen Esten erfunden wurde?
Die Preise sind hier im Übrigen höher als in Lettland, die Dieselpreise sogar höher als in Deutschland.
Ostseebad Pärnu
Im Ostseebad Pärnu zieht es uns erst einmal an den Strand. Es handelt sich um feinsten Sandstrand, leider ist gerade so gar kein Badewetter. Dabei soll das Wasser hier wärmer sein. Eine Besonderheit hier ist der Abschnitt “Frauenstrand zum Sonnenbaden”. Eine langerhaltene Tradition, so weisen Schilder mehrfach am Strand darauf hin diese zu wahren.
E-Scooter sind hier übrigens, wie eigentlich fast überall im Baltikum, zugegen. (Als ein paar Wochen wieder zu Hause sind, zieren die Roller im Übrigen auch bei uns das Stadtbild. )
Pärnu ist eine hübsche Stadt mit großem kulturellen Angebot, vielen Restaurants und Kneipen. Nachdem wir durch die Straßen geschlendert sind und natürlich den Spielplatz erkundet haben, genießen wir das Flair der Stadt. Das hatten wir lange nicht mehr. Den Abend lassen wir im Pub “Sweet Rosie” ausklingen. Es ist urgemütlich, richtig urig und ich trinke einen köstlichen Apfel Cider.
Die Nacht verbringen wir ganz unspektakulär, aber praktisch auf einem asphaltierten WOMO Stellplatz direkt am Fluss, fußläufig zur Altstadt.
Markt in Tartu
Tartu ist eine weitere tolle Stadt, die wir am nächsten Morgen kennenlernen dürfen. Wie fast überall in Estland, gibt es auch hier eine gelungene Kombination von Stadtspielplatz und angrenzendem Trimm-dich-Pfad. Und dann stolpern wir mal wieder unverhofft über einen Wochenmarkt, der hier jeden Tag stattfindet. Indoor gibt es Fisch und Gebäck, draußen reihen sich Gemüse, Obst und Blumenstände aneinander. Frische, prächtige und in allen Farben leuchtende Nahrungsmittel, wohin das Auge sieht. Tonnenweiße Pfifferlinge und Waldfrüchte gibt es, ich weiß gar nicht, wer die Schöneren hat. Ich liebe solche Märkte. Kein Wunder, dass wir gleich mal zuschlagen. Gerade einmal 2,50€ bezahlen wir für eine große Schale Himbeeren, jam, jam. Zum Abendbrot nehmen wir uns etwas von den herrlichen Pilzen und den jungen Kartoffeln mit. Und dann probieren wir uns noch durch die hier typischen eingelegten Gurken. Zum Schluss wandert noch eine Honigwabe in unsere Tasche. An der ersten haben wir so einen Gefallen oder sollte ich besser Geschmack sagen, gefunden, dass wir gerne noch einmal eine nehmen.
Kleines Estland, großer See und Strände
Estland ist übrigens kein besonders großes Land. Das bedeutet zum Beispiel, dass du, egal wo du dich auf dem Festland gerade befindest, nicht vielmehr als zwei Stunden brauchst um in die Hauptstadt zu kommen.
Und dann sehen wir den größten See aller Zeiten, den Peipussee. Genau genommen ist er der viertgrößte See in Europa und liegt zwischen Estland und Russland. Mit seinen 3555 Quadratkilometern wirkt er wie ein Meer und ist eben doch nur ein See. Wahnsinn!
Habe ich schon einmal erwähnt, dass ich die kilometerlangen feinen Sandstrände, von denen es hier so viele gibt, liebe? Genauso gefallen mir aber auch die wilden, steinigen und meist kurzen Küstenabschnitte, an die allerhand Baumstämme und Geäst angeschwemmt und liegengelassen wurde. Letzteres gibt es vermehrt in Estland. Gemeinsam haben sie beide, dass sie überwiegend menschenleer sind.
Lahemaa Nationalpark
Dann sind wir im Lahemaa Nationalpark. Zunächst besuchen wir eine Burgruine. Hier lasse ich mal die Bilder sprechen.
Danach fahren wir kilometerlang auf einer befestigten (!) Straße durch einen Wald. Überall nur Bäume, wohin man auch sieht, nichts als Bäume. So ein kleiner Elch dürfte ja ruhig mal am Waldrand auftauchen, finde ich. Aber das bleibt leider Wunschdenken. Dafür kommen wir hin und wieder an einer Handvoll hübscher Holzhäuser vorbei
Auf einem Wanderparkplatz halten wir an und gehen einige Meter in den Wald hinein. Unser Ziel: ein riesiger Findling. Der Stein ist sieben Meter hoch, ein Überbleibsel aus der Eiszeit. Meine Güte ist der riesig! Und auch der Krümel staunt: “so einen Stein habe ich noch nie gesehen.” Zur Freude aller befindet sich eine massive Holzleiter zum Hinaufklettern am Findling. Im Nu sind wir oben und sehen eigentlich nicht viel mehr als…Bäume. Es führt ein Bretterpfad einmal um den Stein herum, der übrigens 15 Meter breit ist. Ich gehe ihn ab und zähle 62 Schritte. Ein weiterer Boardwalk führt tiefer in den Wald hinein. Bis zum Stein waren es gerade mal 1,2 Kilometer, da geht noch was. Wir folgen dem Pfad mitten durch den Urwald, man sieht vereinzelt noch weitere große Steine. Es wird alles gelassen, wie es ist. Das heißt zum Beispiel, dass ein Baum liegen gelassen wird, wenn er einmal umstürzen sollte.
Plötzlich lichtet sich der Wald und mit einem Mal stehen wir mitten in einer ebenen Moorlandschaft. Der Boardwalk auf dem wir gehen führt schnurstraks auf einen Aussichtsturm zu, der zu Beginn eines weiteren Waldabschnitts beginnt. Ja, das nenne ich mal ein unverhofft tolles Ziel. Es hat ein bisschen etwas von Carcasonne. Dann mal los! Bald ist das massive Holzkonstrukt erreicht, übrigens wie so vieles hier (ich denke da an Treppen, Picknicktische, Bänke etc.) ein echtes Meisterwerk der Zimmermannskunst. 23 Meter ist der Auskuck hoch, unzählige Treppenstufen führen spiralförmig hinauf. Oben angekommen haben wir einen Drehwurm, werden aber mit einer gigantischen Aussicht belohnt. Zur einen Seite sehen wir das Meer, zur anderen Seite über das Moor und über die Wälder. Das Moor schillert von oben gesehen übrigens von gelb bis grün. Ein bisschen erinnert es uns ans Volcanic Valley bei Rotorua in Neuseeland.
Die Esten scheinen solche Art von Aussichtstürmen zu lieben, wir waren in den letzten Tagen sicherlich schon auf vier solcher Exemplare. Zurück geht es durch den duftenden Wald, über Stock und Stein, vorbei an Pilzen und Blaubeeren.
Tallinn wir kommen
Je näher wir Tallinn kommen, auf so mehr Touristen stoßen wir. Ich freue mich sehr auf die Stadt mit ihrem mittelalterlichen Kern und doch bin ich etwas wehmütig die Natur und Ruhe der letzten Wochen dafür hergeben zu müssen.
Es war der Nationalpark Lahemaa, – nicht Lamahee.
Danke für deinen Hinweis.
Habe ich geändert.
Ein schöner Beitrag der Lust macht Estland zu entdecken! Ich hoffe ja das Estland sich dem Interrail anschliesst wie es Litauen dieses Jahr gemacht hat.
LG aus Görlitz
Ina
Liebe Ina,
ich drücke die Daumen!